Das Amulett

  • 'Tschuldigung, dass mein Kommentar erst jetzt kommt. Ein sehr schönes Kapitel. Ich mag es, dass deine historischen Infos immer so detailliert sind! Bin gespannt, wie es in Russland weitergeht.


    Ich habe übrigens einen *hust* schwerwiegenden Tippfehler gefunden:

    Quote

    Manchmal hatte Sie das Bedürfnis alles einfach hinzuscheißen und sich um nichts mehr zu kümmern.


    Das will ich nicht hoffen. [hehe]

  • Schön mal wieder ein Lebenszeichen von dir zu sehen. Hab den kleinen Fauxpas behoben ;-) .


    Mit dem FF geht es nun langsam auch weiter, auch wenn die Geschichte bisher nicht ganz das geworden ist, was ich mir erhofft hatte :-) .



    Kapitel 6.1


    5 Tage später
    Ort: St. Petersburg - Ein Villenvorort -
    22:15 Uhr


    Die ersten Schneeflocken des Jahres trieben im kalten Ostwind an der Windschutzscheibe eines alten kleinen Liefer-oder Kastenwagens vorbei der sicher in einem kleinen Wäldchen verborgen war. Matthew schaute angestrengt in das Dunkel der Nacht und in der Ferne waren die Umrisse eines stattlichen Herrenhauses zu erkennen. Einige Fenster waren hell erleuchtet, aber ansonsten sah alles ruhig und friedlich aus. Er hatte seine Lippen schmal gezogen, was seine angespannte innere Gemütslage verriet. Matthew wandte seinen Blick wieder dem PDA zu, mit dem er sich schon seit geraumer Zeit beschäftigte und studierte den Grundriss des Hauses weiter.
    "Wie bist du nur an diese Baupläne gekommen, Lara?"
    "Beziehungen", antworte Lara, die im hinteren Teil des Fahrzeuges damit beschäftigt war sich für den bevorstehenden Einbruch fertig zumachen.
    "Geht es nicht etwas genauer, Lara?"
    "Sicher, aber das würde jetzt zu lange dauern. Ich muss mich bereit machen. Das Zeitfenster ist knapp bemessen, Matthew." Antwortete Lara in einem ruhigen Tonfall.
    "Na gut, aber wer dieser Serailow ist wirst du mir doch sicher sagen können?"
    "Ja gut, das wird gehen.", meinte Lara während sie weiter Ihre Ausrüstung anlegte. " Michail Ivanowitsch Serailow gehört zu den so genannten russischen Oligarchen. Man sagt er habe gute Kontakte zu dem russischen Präsidenten, aber noch besser sind seine Kontakte zum russischen Premierminister. Er hat es mit Erdöl und Erdgas zu beträchtlichem Vermögen gebracht und mischt auch im Waffengeschäft kräftig mit. Im Vergleich zu vielen anderen Oligarchen meidet er aber die Öffentlichkeit und hält sich vom Jetset fern, auch Parties sind nicht sein Ding. Dies macht es etwas schwierig ihn richtig einzuschätzen."
    "Was will so ein Mensch mit dem Kadram?"
    "Keine Ahnung, vielleicht brauchen Erfolgsmenschen eine Art von Ausgleich. Etwas schönes mit dem sie sich beschäftigen können. Das macht meine Arbeit allerdings nicht einfacher, eher das Gegenteil."
    "Da fragt man sich doch was dein Ausgleich ist, Lara." Bemerkte Matthew.
    "Wenn du schön folgsam bist verrate ich es dir vielleicht einmal."
    "Noch mehr Geheimnisse, Lara", stellte Matthew ernüchtert fest. "Seitdem wir in St. Petersburg angekommen sind bist du ständig unterwegs gewesen. Ich habe keine Ahnung was du getan hast und mit wem du dich getroffen hast. Wer auch immer es ist. Die Person muss exzellente Beziehungen haben, wenn sie an all die Daten kommt und uns auch noch unbemerkt in einen hochgesicherten Villenvorort einschleusen kann. Lara, wir arbeiten zusammen und sollten, zumindest für die Dauer dieser Suche, ehrlich zueinander sein."
    "Ich weiß nicht, Matthew. Es ist zu unserer beider Sicherheit wenn du vorerst noch nicht alles weißt."
    "Ach Lara, warum vertraust du anderen Menschen nur langsam."
    "Das bringt meine Arbeit so mit sich, Matthew. In meinen Geschäft ist viel undurchsichtiges Menschenvolk unterwegs. Da ist es besser wenn man für die Konkurrenz ebenfalls schwer zu durchschauen ist."
    "Klingt paranoid, Lara."
    "Nein, so schlimm ist es nicht, aber man muss wissen wer Freunde sind und wer nicht. Das macht es schwer, den Menschen sind manchmal schwer zu verstehen und selten geradeaus. Über die Jahre sammelt man zwar reichlich Erfahrung in solchen Dingen, aber man lernt bekanntlich nie aus."
    "Oh Mann, was treibt dich nur an, Lara?"
    "Schätze mal das selbe, dass auch dich dazu bewegt hat in die Archäologie zu gehen. Es ist faszinierend Dinge zu finden die für Hunderte oder Tausende von Jahren verschwunden gewesen sind. Es macht Spaß danach zu suchen und es ist ein innerlich unheimlich befriedigendes Gefühl, nach den oftmals entbehrungsreichen Mühen, endlich am Ziel anzukommen. Bei der scheinbar unendlichen Masse an Geheimnissen in dieser Welt kann man das beliebig oft wiederholen, einfach toll."
    "Hm, kann ich nachvollziehen, aber muss man dafür einen Einbruch begehen?"
    "Das Thema schon wieder. Soll ich Serailow vielleicht fragen ob er uns den Kadram verkauft oder ausborgt, Matthew."
    "Das wäre doch eine Möglichkeit, oder etwa nicht?"
    "Kurzfristig gedacht vielleicht, aber Serailow würde sicher wissen wollen wozu ich den Kadram haben will und dann dem Angria-Amulett auf die Spur kommen. Ich habe in diesen Kreisen schon meinen Ruf weg. Außerdem haben wir schon Verfolger und die reichen eigentlich. Hinzu kommt noch das, das Amulett nicht in die falschen Hände geraten darf. Nicht auszudenken was solche Machtmenschen, wie Serailow, mit so einem Artefakt anstellen könnten."
    "Du spielst damit wieder auf diese vermeintlichen magischen Kräfte an."
    "Ja und ich weiß du glaubst mir nicht, aber im Laufe dieser Suche wirst du sicher noch eines Besseren belehrt werden", argumentierte Lara selbstsicher.
    "Du bist ja wirklich davon überzeugt, Lara."
    "Natürlich bin ich das und wir sollten mit dieser Diskussion jetzt wirklich später fortfahren. Das Zeitfenster schließt sich bald."
    Matthew drückte sich stärker gegen den Sitz und seine Stimmung hatte sich nicht gerade gebessert. Er blickte auf und schaute in Richtung des Serailow-Anwesens.
    "Ein wirklich schönes Haus."
    "Stimmt, sieht meinem nicht unähnlich."
    "Du kannst Serailow ja auf Urheberrechtsverletzung verklagen, Lara." Meinte Matthew.
    "Sehr witzig."
    "Ich fand den jetzt nicht so schlecht."
    "Wie du meinst", sagte Lara während sie ihre beiden Standard-Pistolen durchlud.
    Bei dem Geräusch drehte sich Matthew rum und sah Lara in voller Montur. Ihre langen rot-braunen Haare waren zu einem Flechtzopf gebunden und sie trug einen weiß-blau-grauen Schneetarnanzug, wie er gern von russischen Spezialkommandos verwendet wurde. Dazu kam eine leichte schusssichere Weste und an ihren Oberschenkeln ruhte jeweils eine der durchschlagkräftigen Pistolen in den Holstern. Dieses Ensemble gewährte einen optimalen Schutz bei maximaler Bewegungsfreiheit.
    "Wow, ziehst du in den Krieg. Ist das wirklich alles nötig, Lara?"
    "Leider ja, Russen haben leider die schlechte Angewohnheit erst zu schießen und dann zu fragen. Ich häng an mein Leben, Matthew."
    "Wäre auch schade drum, Lara."
    "Darin stimmen wir absolut überein." Sagte Lara und angelte eine Pistole, Modell Smith & Wesson 1911, aus einem der zahlreichen Schubfächer heraus. Sie kontrollierte ob die Waffe funktionstüchtig war, fasste sie schließlich am Lauf an und reichte sie Matthew hin.
    "Kannst du mit so etwas umgehen?"
    "Sicher, mein Vater war bei der kanadischen Marine und fand es eine überaus gute Idee mir das Waffenhandwerk beizubringen. Im nachhinein betrachtet hat es sich allerdings immer wieder als nützlich erwiesen."
    "Gut, wie es aussieht bin ich nicht die Einzige hier mit Geheimnissen. Hier ist noch das Headset, damit können wir in Verbindung bleiben während ich im Serailow-Anwesen unterwegs bin."
    "Ist sicher nützlich, noch etwas?"
    "Ja, ich aktiviere noch einen Sender an meinem Gürtel. Du musst die ID-Nummer des Senders in das PDA eingeben und kannst dann über Galileo jederzeit meinen Standort feststellen."
    "Dann wird es jetzt also ernst." Sagte Lara und schulterte ihren Rucksack. Der ständige Begleiter bei all ihren Abenteuern.
    "Ja, wird es. Ich mach jetzt los."
    "Pass auf dich auf, Lara!"
    "Das werde ich, Matthew", versprach Lara und verlies das Fahrzeug über eine der hinteren Türen.
    Matthew schaute in den Außenspiegel der Fahrerseite um noch einen Blick auf Lara zu erhaschen, aber da war nur dichtes Schneegestöber zu sehen.

  • Kapitel 6.2


    Ort: St. Petersburg - Ein Villenvorort -
    22:50


    Lara entfernte sich rasch von dem Lieferwagen und tauchte zwischen den schneebedeckten Bäumen und Sträuchern des Wäldchens unter. Es war kalt und der steife Ostwind blies Lara in das Gesicht. Sie bewegte sich vorsichtig und in geduckter Haltung voran. Nach einigen Minuten erreichte Sie den Waldrand und hockte sich neben einer dichten Ansammlung von Sträuchern hin. Hier war sie vor fremden Blicken sicher und hatte ihrerseits einen guten Blick auf die Außenmauer des Serailow-Anwesen's. Zuerst vergewisserte sich Lara das sich kein Stacheldraht am oberen Rand der Mauer angebracht war. Zu schmerzhaft war noch die Erinnerung an Italien. Nachdem dies erledigt war holte sie ihren PDA hervor und kontrollierte per Galileo-Scan ob sie sich auf der richtigen Position befand.
    Na dann auf Eins. Drei ....... Zwei ....... E ...... ach, Mist.
    Sie musste ihre Aktion abbrechen als völlig unvermittelt ein Scheinwerferpaar auftauchte. Lara vermutete das es sich um ein Fahrzeug des Wachschutzes handelte. In ihrer Vermutung wurde Lara bestätigt nachdem das Fahrzeug an ihrer Position vorbei fuhr. Das in überbordenter Pracht gehaltene Emblem an der Beifahrertür verriet es. Sie schaute dem Wagen solange hinterher bis er in einer Seitenstraße verschwand.
    Okay, dann ein neuer Versuch. Drei ...... Zwei ...... Eins. Los!
    Lara sprintete über die Straße und überwand den breiten Graben der das Anwesen umgab. Kurz vor der Mauer legte Lara noch einmal an Tempo zu. Schließlich sprang sie ab und bekam die obere Kante der Mauer zu fassen und die Grabräuberin zog sich daran hinauf. Oben angekommen rollte sie hinüber und sprang auf der anderen Seite wieder hinunter. Sobald Lara festen Boden unter ihren Füßen hatte hockte sie sich hin und lauschte in die Stille der Nacht hinein.
    Gut gemacht, Nadja, auf dich ist Verlass. Dachte Lara nachdem alles ruhig blieb.
    Sie holte ihren PDA noch einmal hervor und schaute sich den Grundriss des Anwesens an. Die Parkanlage war mit zahlreichen Überwachungskamera's gespickt und regelmäßig patrouillierten Teams von Serailow's persönlicher Wachmannschaft über das Gelände. Lara prägte sich die Positionen der Kamera's final ein und steckte den PDA wieder weg. Sie atmete langsam tief durch und setzte sich dann in Bewegung. Lara hielt sich außerhalb des Bestreichungswinkel's der Überwachungsanlagen und nutze jede natürliche Deckung aus, die das Gelände anbot. Die Zeit verflog dabei wie im Flug und Lara musste immer wieder mehreren Wachtrupps ausweichen. Erst nach 30 Minuten erreichte Sie das Herrenhaus und suchte nach dem Weg hinein.
    Lara schlich der Hauswand entlang und kontrollierte die Mauer nach einem auffälligen Ziegelstein. Endlich fand sie ihn und drückte den Stein ohne Umschweife langsam tiefer in die Wand hinein. In ihrer unmittelbaren Nähe wurde daraufhin ein Durchgang zu einem Geheimgang frei. Lara schaute sich noch einmal absichernd nach allen Richtungen um und betrat den dunklen Gang. Kaum drin holte sie ihre MagLite hervor und schaute sich zügig um. Lara betätigte im Inneren einen weiteren Ziegelstein und der Durchgang wurde wieder geschlossen.
    "Ich bin drin", vermeldete Lara über das Headset.
    "Gut. Hier ist alles soweit ruhig. Bis auf die immer wieder vorbeifahrenden Fahrzeuge des Wachschutzes", erwiderte Matthew.
    "In Ordnung, halt die Augen weiter auf. Ich mach jetzt weiter."
    "Alles klar, Lara."
    Sie lief den schmalen Gang entlang. Die Wände waren sauber mit Ziegelsteinen hochgezogen wurden, dazu war die Decke recht niedrig so das die Grabräuberin nicht aufrecht gehen konnte.
    Hier unten war schon lange niemand mehr putzen. Stellte Lara fest während sie ihren Weg fortsetzte.
    Am Ende des Ganges stand sie vor einer Tür. Rechts von ihr an der Wand befand sich ein Schalter der von Lara zügig mit der linken Hand betätigt wurde. Da Lara nicht wusste was sie auf der anderen Seite der Tür erwartete war dies nicht ganz ungefährlich, aber eine bessere Methode gab es nicht. Ihre rechte Hand ruhte vorsorglich auf dem Griff einer ihrer Pistolen. Für alle Fälle. Die Tür öffnete sich langsam nach innen. Also auf sie zu und Lara streckte vorsichtig ihren Kopf aus dem Durchgang heraus. Sichernd schaute sie erst nach rechts, dann nach links auf einen breiten Flur. Dieser wurde nur durch ein paar Lampen erhellt und so konnte Lara nicht viel sehen.
    Wieder holte sie ihr PDA hervor und schaute nach in welcher Richtung es zu Serailow's Arbeitszimmer ging.
    Nach rechts!
    Mit vorsorglich gezogener Waffe schlich Lara dem Flur entlang. Vorbei an zahlreichen Türen, Gemälden, in barocken Pomp gehaltenen Skulpturen und anderer Kunstgegenstände. Der Boden war mit erlesenen hellen Marmor ausgelegt, auch für Teile der ebenfalls in hellen Farbtönen gehaltenen Wände galt dies. Lara ging immer ein Stück voran und suchte dann hinter einem der im Flur zahlreich verteilten Gegenstände Schutz. Einmal musste sie sich hinter einem Standbild des griechischen Gottes Apollo verstecken nachdem plötzlich eine Patrouille vorbei gekommen war. Davon abgesehen konnte sich Lara relativ ungestört im Haus bewegen. Am Ende des Flures ging es einer Treppe folgend hinauf, aber hier wurde hier der Weg durch eine schwere Eichentür versperrt. Serailow's persönlicher Bereich war extra abgesichert.
    Sie schaute nach oben und konnte den Einlass zu einem Lüftungsschacht ausmachen.
    Zeit für den Magnethaken. Befand Lara.
    Sie zielte auf das metallische Glänzen über dem Schacht und der Magnethaken setzte sich daran fest. Ohne zu kontrollieren ob der Halt auch wirklich sicher war kletterte Lara hinauf. Oben angekommen entfernte sie die nur lose angebrachte Verkleidung des Einlasses und kletterte in den schmalen Schacht rein.
    Hm, gibt es sowas auch in meinem Haus? Fragte sich Lara während sie dem Schacht entlang robbte der kaum genug Platz bot. Ständig stieß sie an den Wänden an und Lara verfluchte Ihre sperrige Ausrüstung. Besonders die Pistolen waren hinderlich, aber darauf konnte Lara nun wirklich nicht verzichten. Nach einigen Metern und zahlreichen blauen Flecken weiter erreichte sie schließlich den gesuchten Lüftungsauslass. Durch die Schlitze gewahrte Lara einen Blick auf einen weiteren Flur.
    Die Luft ist rein, dann nichts wie raus aus dem Schacht!
    Die Verkleidung entfernte Lara aus der Verankerung, aber lautlos ging das nicht von statten und sie wartete einen Moment ab. Wie durch ein Wunder blieb es immer noch recht ruhig. Lara kletterte aus dem Schacht hinaus und landete in einer Hockstellung auf dem Boden. Sie richtete sich auf und streckte ihre Gelenke. Die Lampen an den Wänden spendeten nur gedimmtes Licht und Lara schaltete wieder die MagLite an. Zielstrebig, aber gewohnt vorsichtig, lief sie dem Flur entlang direkt auf eine große Doppeltür zu.
    Bei der Tür angekommen fragte sich Lara einen Augenblick ob die Tür verschlossen war.
    Ach, was soll's. Dachte Lara und betätigte den Türgriff und wie durch ein Wunder öffnete sich die Tür problemlos. Gerade wollte sie hindurchgehen als sie aus ihren Augenwinkel heraus etwas rotes gewahrte.
    "Verdammt, das hätte in's Auge gehen können."
    "Lara?"
    "Was?"
    "Alles klar?"
    "Ja, musste nur einer Laserfalle ausweichen."
    "Noch alles dran?"
    "Ja, warum. Ist doch nur ein Bewegungssensor gewesen. Ich glaube du schaust zu viel Star Trek oder Star Wars, Matthew."
    "Naja zu viel schauen kann man dies ja nicht, übrigens hat hier gerade ein Transporter halt gemacht und ein Dutzend Bewaffneter ist ausgestiegen. Ich glaube die stürmen bald das Anwesen."
    "Söldner oder ist es russische Polizei?."
    "Schauen eher wie Söldner aus. Dein Plan scheint aufzugehen."
    "Ja, tun sie fast immer", antwortete Lara selbstsicher.
    "Nur fast."
    "Auch ein Genie liegt manchmal daneben. Ich mach jetzt erstmal Schluss."
    "Ist OK."
    Lara sammelte sich einen Moment und glitt dann geschmeidig unter der Laserfalle hinweg. Nun stand Lara in Serailow's Arbeitszimmer. Ihr war längst nicht mehr wohl dabei, aber bisher schien noch niemand etwas bemerkt zu haben und sie lief zuerst auf den pompösen Schreibtisch. Bis plötzlich das Licht anging und Lara das Geräusch einer durchladenden Pistole vernahm.
    "Bis hier her und nicht weiter, Lady!"
    Lara blieb abrupt stehen und schaute in die Richtung aus der die Stimme kam. Sie gewahrte einen Mann von etwa Mitte Fünfzig. Die Statur war hager, aber der feste Blick verriet eine starke Geisteshaltung. Mit Serailow war nicht zu spaßen.
    "Es gehört schon Mut dazu hier einzubrechen, aber etwas mehr Professionalität hätte sicher nicht schaden können." Stellte Serailow amüsiert klar.
    "Wenn sie es sagen", meinte Lara in einen trotzigen Tonfall. Nicht gerade einer meiner brillantesten Auftritte.
    "Welcher Verein mit den drei Buchstaben hat Sie den geschickt. GRU, FSB, BND, CIA oder SIS?"
    "Im Auftrag ihrer Majestät bin ich jedenfalls nicht unterwegs", antwortete Lara kühl.
    "Sie versuchen witzig zu sein, Lady, aber das hilft Ihnen jetzt auch nicht weiter. Ihre Unfähigkeit ist nun ihr Ende."
    "Hm, ich habe es immerhin bis hierher geschafft", meinte Lara unbeeindruckt.
    "Nur Glück."
    "Können."
    "Nun gut, Miss Croft. Schluss mit den Spielchen! Was wollen sie hier?"
    "Sieh an. Sie wissen ja doch wer ich bin."
    "Natürlich. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus. Es war nur eine Frage der Zeit bis sie auch bei mir einmal vorbei schauen, Miss Croft. Leuten, wie mir, Artefakte zu entwenden ist anscheinend ein Hobby von Ihnen."
    "Ja, das ist so eine Angewohnheit von mir und nicht einmal die schlechteste", konterte Lara.
    Serailow musterte Lara misstrauisch und fragte sich warum diese Frau keinerlei Angst zu haben schien.
    "Welches Stück, aus meiner Sammlung, hat es ihnen den angetan, wenn ich fragen darf?"
    "Sie dürfen, der Kadram." Gab Lara unumwunden zu.
    "Nicht gerade das Wertvollste was ich besitze."
    "Dann wird er Ihnen ja nicht fehlen, wenn ich den Kadram mitnehme." Stellte Lara belustigt klar.
    "Sie haben einen wirklich eigenartigen Humor, aber dafür seid ihr Engländer ja bekannt. So einfach werden sie den Kadram allerdings nicht bekommen, Lady Croft."
    "Wie kommen sie nur darauf, das ich mir das einfach vorgestellt habe."
    "Wie haben sie es sich den vorgestellt, Croft?"
    "In etwa so ..... " Sagte Lara und von weiten waren plötzlich Schüsse zu hören deren Klang sich stetig auf das Hauptgebäude zu zubewegen schien. Serailow war abgelenkt und Lara nutzte die Gunst der Stunde um ihm mit einem Kick in die Magengegend zuzusetzen. Final schlug sie Serailow noch auf sein Genick ein und der Mann sank benommen zu Boden. Lara schaute nachdenklich zu Serailow hinab.
    Wie dumm von mir, vielleicht hätte ich ihn vorher fragen sollen, wo er den Kadram aufbewahrt. Ging es Lara durch den Kopf.

  • Mal schauen ob es so ist, @Cobra ;-) .


    Kapitel 6.3


    Ort: Serailow-Villa
    23:42 Uhr


    Lara stand inmitten des Zimmers und schaute sich nach Rat suchend um, aber da war niemand der ihr hätte einen geben können. Serailow lag vor ihr auf dem Boden und würde noch eine ganze Weile außer Gefecht sein. Im Haus waren mittlerweile wilde Feuerduelle zwischen den Söldnern und Serailows Wachtruppe ausgebrochen. Endlich übernahm Lara's Verstand wieder das Zepter und sie überlegte scharf wo Serailow den Kadram versteckt haben könnte.
    "Hast du den Kadram, Lara?" Fragte Matthew über das Headset.
    "Nein, leider noch nicht und mir läuft die Zeit davon. Die Söldner scheinen die Oberhand zu gewinnen und werden bald hier sein."
    "Ok Lara, ich helfe dir und roll das Feld von hinten auf!"
    "Du tust was? Matthew ......... Matthew ......... was soll das............? "
    Lara ärgerte sich über diese Reaktion, den damit hatte sie nicht gerechnet. Sie lief das ganze Arbeitszimmer ab, aber fand keinerlei Anhaltspunkte. Der mit barocken Elementen völlig überladene Einrichtungsstil des Anwesens auf den Fluren setzte sich in den einzelnen Zimmern anscheinend weiter fort. Alles war extrem verspielt und obwohl die Einrichtung aus den teuersten und edelsten Baustoffen bestanden sah sie alles andere als Stilvoll aus, typisch russisch eben. Für manche mehr Kitsch als alles andere.
    Lara durchsuchte sämtliche Winkel des Arbeitszimmers. Hinter jedem Bild schaute die Grabräuberin nach bis sie völlig entnervt in Serailows Arbeitssessel Platz nahm. Ihr war nicht wohl dabei, vor allem da die ersten Schläge gegen die schwere Eichentür zu diesem Teil des Herrenhauses zu hören waren.
    Was macht man mit einem zwar schicken, aber an sich nicht sehr wertvollen Artefakt? Grübelte Lara nach.
    Ihr Blick wanderte zum wiederholten Male durch das Zimmer und Lara befasste sich genauer mit dem pompösen Schreibtisch. Zwischen unordentlich abgelegten Papierkram stach etwas Goldenes hervor und nach genaueren Hinsehen erkannte Lara den Kadram. Serailow hatte ihn als eine Art von Briefbeschwerer missbraucht.
    Da hätte ich ja noch Stunden suchen können. Dachte Lara kopfschüttelnd.
    Geschwind nahm die Grabräuberin das Artefakt auf und verstaute es in ihren Rucksack.
    Nichts wie raus hier!
    Mit schnellem Schritt lief Lara zur Tür zum Flur. Just in dem Moment als sie im Begriff war die Tür zu passieren wurde die schwere Eichentür zur Etage aufgebrochen und mehrere Söldner strömten in den Flur. Lara lies sich augenblicklich in Serailow's Arbeitszimmer zurückfallen und drückte sich seitlich am Türrahmen an die Wand. Mit geübten Handgriffen zückte Lara ihre beiden Pistolen. Mehrmals atmete sie tief durch dann schnellte sie hervor und feuerte beide Magazine in den Hausflur. Aus den Augenwinkeln heraus nahm Lara wahr das einer der Söldner getroffen niedersank, dann musste sie wieder Schutz suchen. Die Tür zum Arbeitszimmer wurde unterdessen durch mehrere Geschossgarben durchsiebt.
    Auf diesem Weg komm ich hier nie raus. Dachte Sie.
    Lara vernahm wie die ersten Söldner die Türen im Hausflur eintraten. Mit sorgenvollem Blick schaute die Grabräuberin zu der offenen Tür aus der Serailow gekommen war. Der hysterische Aufschrei einer jungen Frau holte Lara aus ihren Gedanken heraus. Kurz darauf ertönte ein Schuss und die Frauenstimme erstarb. Lara schluckte, offenbar war eines von Serailow's Betthäschen hier auf der oberen Etage gewesen und die Söldner hatten sie gefunden. Noch schlimmer war das die Söldner begannen Lara nun in die Zange zu nehmen.
    Lara sprintete zu der anderen Tür und fand sich einer Art Ankleidezimmer wieder. Hinter einer kleinen Couchgarnitur ging sie in die Hocke und wartete ab. Es stellte sich heraus das Lara keine Sekunde zu früh ihren Standort gewechselt hatte, den zwei Söldner stürmten in das Arbeitszimmer. Lara empfing sie aus dem Ankleidezimmer heraus mit ihren Pistolen und beide Söldner sanken verletzt zu Boden. Sie hatte auf ihre Beine gezielt. Sie sprang auf und machte einen Satz zur nächsten Tür. Mit einem kräftigen Tritt öffnete Lara diese und setzte damit schon einmal einen Söldner schachmatt der so nassforsch gewesen war hinter der Tür in Deckung zu gehen. Ein weiterer Söldner wurde ein Opfer von Lara's Pistolen.
    Eilig durchlief Lara das Schlafzimmer und fand hinter dem Bett eine zusammengekauerte Gestalt. Die junge Frau mochte Anfang Zwanzig sein und war, wie nicht anders zu erwarten, tief traumatisiert, aber am Leben. Nachdem Lara sich erleichtert vergewissert hatte das es der Frau den Umständen entsprechend gut ging setzte sie ihren Weg nach draußen fort.
    Sie passierte die aus den Angeln gehobene Eichentür und lief schnell der Treppe hinunter. Gerade wollte Lara um die Ecke biegen als sie plötzlich einen heftigen Schmerz in der Magengegend verspürte. Benommen kippte Lara rückwärts um und knallte unsanft mit dem Hinterkopf auf die Marmorstufen auf. Völlig benebelt konnte sich Lara's Körper nicht entscheiden welcher Schmerz heftiger war. Sie hatte ihre Augen geschlossen und Tränen rannen ihr hinunter. Ihr Kopf fühlte sich an als ob ihr Gehirn mit aller Macht gegen die Schädeldecke hämmerte und hinaus wollte. Nur langsam ebbte dies ab und Lara wurde wieder Herr ihrer Sinne nur um einen besseren Blick auf die Gestalt eines Söldners zu bekommen.
    "Jetzt bist du fällig, Miststück!"
    Hörte Lara den Mann sagen und glaubte seine fiese Fratze unter der Sturmhaube erkennen zu können. Der Söldner drehte sein Sturmgewehr wieder rum und gewährte einen Blick auf das aufgepflanzte Bajonett. Gerade wollte er auf die wehrlose Lara einstechen als er unvermittelt neben Lara zu Boden sank und Matthew zum Vorschein kam.
    "Komm Lara, wir müssen hier raus!" Rief Matthew und streckte Lara hilfreich die Hand entgegen, Lara ergriff diese und stand bald wieder auf ihren Beinen. Noch etwas wacklig, aber das würde schon werden. Ohne Umschweife machend setzte sich Matthew in Bewegung und zog Lara immer noch an der Hand haltend hinter sich her. Überall lagen im Flur die leblosen Körper von Söldnern und von Serailow's Wachtruppe herum. Sie hatten sich überwiegend gegenseitig eliminiert.
    Was habe ich nur getan. Ging es Lara bestürzt durch den Kopf.
    Durch den Geheimgang fanden die Zwei den Weg nach draußen und in der sicheren Deckung der Bäume kamen sie auch an der Mauer an. Lara war noch immer nicht ganz bei der Sache, aber mit routinierten Bewegungen überwand sie die Mauer und Matthew folgte ihr nach. Sie überquerten die Straße und langten in dem Wäldchen an. Matthew dirigierte Lara in den Lieferwagen und nahm auf dem Fahrersitz wieder Platz. Er startete den Motor und mit durchdrehenden Reifen schnellte das Fahrzeug aus dem Wald hervor auf die Straße. Nur wenige Augenblicke später kam der Ausgang des Villenvorortes in Sicht.
    "Verdammt, da kommt der Schlagbaum."
    "Halt drauf oder willst du nach dem Weg fragen?" Sagte Lara die langsam wieder bei klarem Verstand war.
    "Ganz gewiss nicht", vermeldete Matthew angesäuert und drückte das Gaspedal durch. Aus dem Schlagbaum Kleinholz machend durchbrach das Fahrzeug die Sperre und hielt auf die Hauptstraße zu. Bald kamen sie schließlich an einer Kreuzung an.
    "Wohin jetzt. Nach rechts, links oder geradeaus?"
    "Nach links, zu den Außenbezirken, wenn wir nach rechts abbiegen würden stoßen wir irgendwann auf den Newskii-Prospekt. Selbst um diese Uhrzeit keine gute Idee."
    "Richtig, einen Panzer haben wir nicht und mit unserem Vehikel könnten wir uns dann auch gleich selbst stellen."
    "Dann nach links über die Außenbezirke von St. Petersburg zum Hafen!"
    "Hafen, ist das dein Fluchtplan?"
    "Nicht unbedingt. Ist mir eigentlich erst jetzt eingefallen."
    "Wirklich grandios, Lara."
    "Finde ich auch", stellte Lara klar während Matthew den Wagen auf die Schnellstraße zum Hafenviertel lenkte. Schon kurz nach Ihnen scherten vier schnelle SUV's ebenfalls auf diese Straße und machten sich an die Verfolgung.



    Ort: St. Petersburg - Außenbezirke -
    00:35 Uhr


    Der Lieferwagen fuhr rasant die Schnellstraße entlang. Matthew überholte mehrmals recht rüde die langsameren Verkehrsteilnehmer. Der Verkehr auf der Straße war zwar nicht gerade dicht, aber für Lara's und Matthew's Geschmack immer noch zu viel.
    "Wir haben ein paar Ratten im Schlepptau", vermeldete Lara ruhig.
    "Verfolger? Hatten wir das nicht schon einmal?"
    "Ja, aber jetzt weißt du ja wie es läuft, Matthew", feixte Lara.
    "Toll, Lara. Mit dir wird es wirklich nie langweilig."
    "Freut mich zu hören, aber jetzt gib besser Stoff!"
    "Ich fahre doch schon achtzig km/h, mehr ist mit dieser klapprigen alten Kiste leider nicht drin, Lara. Konntest du dir nichts moderneres holen?"
    "Keine Panik! Ich kümmere mich schon um unsere Anhängsel und du hältst den Wagen auf der Straße, klar!" Gab Lara zum Besten und erhob sich von dem Beifahrersitz um im Fond des Lieferwagens zu verschwinden. Sie holte eine große Box hervor und öffnete diese. Gekonnt holte sie einen tragbaren Raketenwerfer raus, Modell SA-7. Eigentlich eine Luftabwehrrakete, aber was Flugzeuge vom Himmel holt kann auch gut Löcher in den Erdboden machen.
    "Das Ding kannst du aber nicht von hier drinnen aus benutzen, Lara!"
    "Ich weiß, Matthew." Sagte Lara und schulterte den Werfer. Dieser war kompakt genug um nicht gänzlich unhandlich zu sein und nahm noch ein Reserveprojektile mit auf. Sie öffnete die seitliche Schiebetür und machte sich daran auf das Dach zu klettern. Mit beiden Händen fasste sie den Rand des Daches und zog sich daran rauf. Oben angekommen stützte sie ihre Füße auf die seitlichen Dachträger und fand so einen einigermaßen sicheren Halt. Nun konnte Lara den Raketenwerfer für den Betrieb bereit machen. Ihre Verfolger schienen noch nicht bemerkt zu haben was jetzt auf sie zukam. Sie verkürzten den Abstand laufend.
    Lara wartete ab bis der zivile Verkehr endlich nachgelassen hatte und nur noch die vier Verfolger im direkten Schussfeld waren. Sie zielte zwischen die auf nächster Distanz fahrenden beiden Wagen, da diese immer wieder nebeneinander her fuhren, dabei die volle Straßenbreite ausnutzend. Das Projektil löste sich aus dem Werfer und kam kurz vor den Geländewagen auf der Straße auf und detonierte. Leider hatte Lara zu kurz gezielt und aus dem Dunstkreis der Explosion tauchten bald alle vier wieder auf. Gerade rechtzeitig, den Lara hatte ihre Waffe wieder feuerbereit und drückte ab.
    Zischend flog das zweite Projektil los und diesmal hatte sie besser gezielt. Zwischen zweien der Verfolger schlug das Projektil auf den Asphalt auf. Einer der Geländewagen wurde durch die Luft geschleudert, der andere verminderte sofort seine Geschwindigkeit wurde allerdings umgehend von den übrigen beiden überholt. Lara kletterte unterdessen wieder über die offene Schiebetür in den Wagen zurück und suchte nach einer neuen Waffe.
    "Sind wir Sie los?"
    "Nein, sicher nicht. Es müsste allerdings bald eine Ausfahrt zum Containerterminal kommen. Zwischen den Containern können wir uns vielleicht absetzen."
    "Könnte klappen", sagte Matthew und nach wenigen Minuten kam die besagte Ausfahrt. "Scheiße, das Tor ist zu", meldete er sich wieder zu Wort.
    "Du weißt doch was zu tun ist. Fahr es um!"
    Matthew tat was Lara wollte und krachend durchbrach der alte Lieferwagen das Tor. Die drei SUV's setzten ihnen weiter nach.



    Ort: Containerterminal von St. Petersburg
    1:14 Uhr


    Bei der Dunkelheit war es kein leichtes sich auf dem Terminal zurechtzufinden. Zwischen Stapeln, die aus tausenden der praktischen Boxen bestanden versuchten sie sich vor ihren Kontrahenten zu flüchten, aber diese hatten die weitaus moderneren Fahrzeuge und waren nicht so ohne weiteres abzuschütteln. Lara schritt darum wieder zur Tat und nahm ein Sturmgewehr auf. Mit einem Tritt öffnete sie die beiden Hecktüren und nachdem sie wiedermal einen einigermaßen passablen Halt gefunden hatte feuerte sie drauflos.
    Die ersten Geschosse gingen noch daneben, aber die nächsten trafen und mit qualmendem Motorraum scherte der nächste Verfolger aus dem Feld aus und knallte gegen einen massiven Containerstapel.
    Jetzt griffen auch ihre Kontrahenten zu den Handfeuerwaffen und deckten den Lieferwagen ordentlich mit kleinen Projektilen ein. Matthews Spiegel auf der Fahrerseite wurde erneut eines ihrer ersten Opfer.
    "Nicht schon wieder", fuhr es aus Matthew heraus.
    Lara machte sich unterdessen wieder nützlich und bedachte ihre Gegner wieder mit ein paar kleinen Aufmerksamkeiten. Dann legte sie die Waffe weg und kramte in den zahlreichen Schubladen im Fond nach etwas brauchbaren.
    Nägel, wie schön.
    Lara öffnete die Verpackung und entleerte diese auf der Straße. Die Reifen des vordersten Fahrzeuges, das sie verfolgte, platzten dann auch sofort und so war die Zahl ihrer Kontrahenten auf nur noch einen reduziert.
    Inzwischen kam die Kaimauer in Sicht und Matthew steuerte den Wagen an diese entlang. Mehrere Containerschiffe lagen hier vertäut und zahlreiche Kräne waren damit beschäftigt die Schiffe zu be-und entladen. Viele automatisch gelenkte Containertransporter fuhren hier entlang und Matthew hatte alle Hände voll zu tun hier unbeschadet durchzukommen. Zwar waren hier zahlreiche Lampen aufgestellt, aber es war noch immer Nacht und die Sicht nicht die Beste.
    "Ich hoffe du weißt was du tust, Matthew." Sagte Lara, die wieder auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte und noch eine Tasche aus dem Fond mitgebracht hatte.
    "Wieso, mache ich etwa den Eindruck. Ich fahre hier um mein Leben."
    "Und das wirklich gekonnt. Unser Verfolger kommt jedenfalls nicht nach."
    In der Tat wurde der Abstand immer größer, aber bald kam auch das vorläufige Ende dieser Kaimauer. Matthew bog wieder landeinwärts und hetzte den Wagen durch die aufgetürmten Containerstapel.
    "Mit welchem Schiff wolltest du Russland verlassen, Lara."
    "Ich dachte an die Nachtfähre nach Finnland oder Schweden."
    "Nur gut das wir hier auf dem Containerterminal sind", stellte Matthew fest.
    "Der Fährterminal ist auf der gegenüber liegenden Seite. Also kein Grund zur Sorge."
    "Ok, dann fahren wir also jetzt rüber?"
    "Nein, mit diesem Auto werden wir auf keine Fähre kommen. Allein mit dem Waffenpark dahinten könnte man uns des Waffenschmuggels bezichtigen."
    "Das ist absurd."
    "That's my life, Matthew."
    "Und was schlägst du vor?"
    "Halt auf die Kaimauer zu und versenk die Kiste!"
    "Bitte was?"
    "Vertrau mir. Kurz vor der Kaimauer springen wir raus. Ist ganz einfach. Man braucht sich nur rauzurollen und dann passiert schon nichts Schlimmes."
    "Doch so simpel."
    "Ja, pass aber auf deinen Kopf auf, wäre schade drum", meinte Lara.
    "Willst du mir damit was sagen?" Antwortete Matthew mit einem Lächeln und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag. Der Motor brüllte auf, wie ein weidwundes Tier, und das Auto fuhr zielstrebig auf die Kaimauer zu.
    "Jetzt!" Brüllte Lara völlig unvermittelt und beide sprangen in einer Reflexreaktion aus dem Auto raus, während dieses, einem gewaltigen Satz über die Kaimauer machend, in das Wasser der Ostsee rauschte und nahezu augenblicklich versank. Matthew kam unsanft mit seiner rechten Schulter auf und handelte sich so eine tiefe Schürfwunde ein. Lara hatte da mehr Glück und stand fast augenblicklich nach ihren Sturz wieder auf und brachte sich zwischen Stapeln von Containern in Sicherheit. Mit einer fordernden Armbewegung signalisierte sie Matthew ihr zu folgen und dieser rappelte sich mit einem schmerzverzehrten Gesichtsausdruck auf und folgte Lara nach. Kaum bei Lara angekommen schmiegten sie die beiden mit dem Rücken gegen den Container und warteten ab.
    Bald erschien der SUV und kam mit quietschenden Reifen vor der Kaimauer zum stehen. Lara schaute aus einer sicheren Deckung heraus hinter dem Container hervor. Sie erkannte wie die Insassen des Wagens wild miteinander gestikulierten und schließlich wieder verschwanden.
    "Sie sind weg", sagte Lara.
    Beide sanken nun fast augenblicklich an dem Container hinunter und atmeten mehrmals entspannt durch.
    "Heftige Aktion und jetzt zur Fähre!"
    "Nicht gleich. Ich muss mich erst umziehen. Mit dem Tarnanzug komm ich auch nicht auf die Fähre. Wehe du guckst!" Sagte Lara und verschwand in einem hinteren dunklen Winkel.
    Matthew stand auf und lehnte sich lässig mit seiner linken Schulter an den Container an. Die rechte Schulter schmerzte, aber es war noch zu ertragen. Nur die Jacke war natürlich hin. Er schaute nachdenklich auf die gegenüberliegende Kaimauer, wo die hellerleuchtete Silhouette eines Fahrschiffes auszumachen war.

  • Kapitel 6.4


    Währenddessen
    Ort: St. Petersburg - Ein Villenvorort -
    00:24 Uhr


    Ein schwarzer Cadillac STS stand am Straßenrand nahe dem Serailow-Anwesen und die dunkelbraunen Augen des Fahrers schauten einen eilig davon fahrenden alten Lieferwagen hinterher. Mr. Okoma hatte einen eisigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Schon als er die beiden Gestalten über die Mauer springen und in das Wäldchen verschwinden sah, wusste er das Lara Croft ihn schon wieder abgehängt hatte. Nun musste er seiner Auftraggeberin schon wieder mit einer schlechten Nachricht Rede und Antwort stehen.
    Sein Blick wanderte zu einem Laptop der gerade dabei war eine Audio/Video-Verbindung aufzubauen. Endlich erschien das hübsche Gesicht der blonden Frau mit den durchdringenden grünen Augen.
    "Nun, Mr. Okoma. Ich hoffe sie haben eine Erfolgsmeldung auf Lager, wenn sie mich schon zu so später Stunde stören."
    "Leider nein. Croft ist schon wieder entkommen", sagte er und ihm war nicht wohl dabei.
    "Sagten sie nicht beim nächsten Mal werden sie Croft erledigen."
    "Croft hat mich reingelegt. Sie hat erwartet dass meine Söldner auftauchen und dies für ihre Zwecke genutzt. Alle sind tot und sie ist fort."
    "Unerwartet kaltblütig von ihr", stellte die Frau fest.
    "Vielleicht, aber ich habe ihr ja keine andere Wahl gelassen. Sie hat anscheinend geahnt dass sie nicht unentdeckt Syrien verlassen kann und das Beste daraus gemacht."
    "Das lässt Croft gut aussehen, aber sie, Mr. Okoma, werden ihren Ruf nicht im Geringsten gerecht. Vielleicht sollten wir uns nach jemand befähigteren umsehen." Bemerkte die Frau hämisch.
    "Das wird nicht nötig sein. Croft hat mein besonderes Interesse geweckt. Ich will sie krepieren sehen."
    "Nette Wortwahl. Ihren neu entflammten Enthusiasmus in allen Ehren, aber sie verschwenden das Geld meiner Partner, dem Silention."
    "Silention, was ist das?"
    "Das braucht sie nicht zu interessieren. Es gibt Dinge die stehen über allem. Einen Versuch gewähre ich Ihnen noch, Mr. Okoma. Bringen sie Croft zur Strecke. Ein für allemal, verstanden!"
    "Ja, verstanden, Lady!"
    "Gut. Ich hoffe sie haben einen Plan?"
    "Natürlich habe ich den. Ich werde Serailow einen freundschaftlichen Besuch abstatten. Es muss ja einen Grund geben das Lara Croft gerade hier aufgetaucht ist."
    "Wie scharfsinnig von Ihnen, Mr. Okoma. Solche Gedankengänge traut man Ihnen auf den ersten Blick gar nicht zu. Vermasseln sie es nicht wieder!"
    Okoma wartete bis die Audio/Video-Verbindung wieder abgebaut war und schaltete den Laptop aus. Sein Blick war finster und er brauchte eine ganze Weile bis er den Ärger zurückgekämpft hatte und wieder ein einigermaßen ausgeglichener Gemütszustand hergestellt war.
    Diese aufgeblasene Schnepfe wird eines Tages dafür teuer bezahlen. Niemand darf so mit mir reden! Ging es Okoma durch den Kopf.
    Er stieg aus dem Wagen aus und lief auf das Anwesen zu, wo mittlerweile die ersten Polizeiwagen einzutreffen begannen.

  • Kapitel 6.5


    Ort: Residence-Lounge auf der M/S Baltic Countess
    01:55 Uhr


    Matthew hatte sich in einem Shop der Fähre eine neue Jacke gekauft und die Schürfwunde notdürftig versorgt. Nun machte er es sich in der Residence-Lounge bequem und wartete auf Lara. Es war einiger Betrieb hier, trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit. Zahlreiche Familien waren hier und nahmen eine Mahlzeit ein. Dazwischen waren die quengelnden Laute übermüdeter Kinder zu hören. Fernfahrer, in großer Zahl, hatten sich ebenfalls eingefunden um zu essen oder bei einem Bier sich mit den Kollegen auszutauschen. Dies waren wohl die angenehmsten Seiten dieses Jobs. Matthew saß in einem Sessel bei einem kleinen Rundtisch an einem Fenster. Er schaute auf ein Fernsehgerät in dem gerade die Abendnachrichten des russischen Staatsfernsehens wiederholt wurden. Sie zeigten das Serailow-Anwesen und Matthew schaute interessiert zu. Plötzlich fiel ihm eine Gestalt in einem teuren Anzug auf. Ein Schwarzafrikaner. Er dachte nicht genauer darüber nach den endlich erschien Lara.
    "Na, mit dem Zimmer alles klar?"
    "Ja, aber wir müssen uns eins teilen. Leider nur eine Einzelkabine."
    "Dann bleibt mir wohl nur die Pullmann-Liege", stellte Matthew fest.
    "Ganz der Gentleman, wie."
    "Man tut was man kann. Willst du was trinken, Lara?"
    "Ein Wasser reicht mir."
    "Ja, nach dem Tag steht mir nach mehr auch nicht der Sinn." Sagte Matthew und gab die Bestellung auf. Nach wenigen Augenblicken nippten beide gedankenverloren an ihren jeweiligen Drink.
    "Was ist los Lara. Seitdem wir aus der Villa raus sind bist du so anders?"
    "Mein Plan war zu riskant", fing Lara an. "Er hat zu viele Menschen unnötig in Gefahr gebracht. Ich war viel zu leichtfertig, Matthew."
    "Was soll ich dazu sagen. Gab es den eine andere Möglichkeit an dem Kadram ranzukommen?"
    "Vielleicht nicht, aber immer öfters frage ich mich ob es das alles wert ist." Sagte Lara und beugte sich etwas vor. "Immer wieder kommen Menschen in Gefahr. Viele davon stehen mir sehr nahe, gute Freunde und Bekannte. Manche sind bereits gestorben und es kam auch schon vor das meine Gegner auch vor meinem zu Hause nicht Halt machten. Vielleicht ist dies nur zu gerecht da ich es nicht anders handhabe, aber wofür. Ein paar alte Artefakte von denen einige so gefährlich sind das sie besser nie gefunden worden wären."
    "Ja, aber wenn du diese Artefakte nicht hebst, wer findet sie dann. Skrupellose Menschen ohne Bedenken. Du hast es doch selbst gesagt, Lara."
    "Aber heiligt der Zweck die Mittel, Matthew?"
    "Sicher nicht, aber wir Menschen können aus unseren Fehlern lernen. Mach es beim nächsten Mal einfach besser, Lara!"
    "Das sagst du so leicht. Was heißt schon es besser tun. Meine Gegner lassen mir kaum eine andere Wahl als mit der Waffe in der Hand meinem Anliegen Nachdruck zu verleihen."
    "Ein moralisches Dilemma. Du hast doch selbst einmal gesagt dass du dir nicht von anderen dein Handeln diktieren lassen willst. Also tue es auch nicht, Lara!"
    "Ich weiß nicht so recht. Bei der vergangenen Aktion ging doch einiges daneben."
    "Willst du etwa die Suche nach dem Amulett einstellen, Lara. Das kann ich kaum glauben. Was ist mit den magischen Kräften die es hat. Sollen diese für Andere arbeiten und was weiß ich furchtbares damit anrichten."
    "Glaubst du jetzt etwa daran?"
    "Du glaubst daran, Lara. Dein Enthusiasmus und die Leidenschaft die du in die Suche investierst sind sichere Indizien, dass da vielleicht mehr ist. Das reicht mir persönlich für den Moment, aber ob du mit deiner Einschätzung richtig liegst muss sich noch zeigen. So langsam glaube ich aber dass wir an einer ganz großen Sache dran sind."
    "Wenn du auf unsere Verfolger anspielst sind die sicher nicht hinter dem Amulett her sondern nach mir. Ich bringe dein Leben in Gefahr, Matthew"
    "Hey, Lara." Begann Matthew und beugte sich ein Stück vor dabei sanft Lara's Hände umfassend. "Ich bin für dich da und wir stehen dies gemeinsam durch. Du kannst auf mich zählen, Lara!"
    Ihre Blicken trafen sich und beide schauten sich tief in die Augen. Langsam bewegten sich ihre Köpfe aufeinander zu.
    "Wohin fährt die Fähre überhaupt?" Fragte Matthew nachdem er gewahrte was sich gerade anbahnen wollte. Ich Idiot.
    "St .... Stockholm", antworte eine nach Fassung ringende Lara.
    "Ist der noch fehlende Kadram dort?"
    "Nein. Wir müssen über Land nach Norwegen. Zum Tonsfjord."
    "Ein weiterer böser Bube?"
    "Ja, manches ändert sich nie."
    Beide blickten betreten aus dem Fenster auf das graue Wellenmeer der Ostsee sowie den vorbeiziehenden dichten Schneegestöber und Nebelschwaden während die Baltic Countess ihrem Ziel entgegen strebte, dabei den Finnischen Meerbusen hinter sich lassend.

  • Hey!
    Ehrlich gesagt, dachte ich mir beim ersten Teil: "Och nö, ich mag keine Gemetzel." Aber dass die ganze Aktion an Lara nicht ohne Spuren vorbeigezigen ist (letzter Teil), hat mein Urteil dann sozusagen "gerettet". ;-) Also nein, Matthew... Jetzt wäret ihr fast so weit gewesen... Schade eigentlich. Wobei ich sagen muss, dass ich mir zwischen den beiden ein richtiges "Geknister" wünschen würde. ;-)
    Ich denke, die Frau, die Lara im Haus kurz trifft, ist dieselbe, mit der Mr. Okoma geredet hat. Bei den kleinen Fehlern ist mir aufgefallen, dass du oft dort Punkte gesetzt hast, wo eigentlich Fragezeichen hinkommen. Bsp.:


    Quote

    "Halt drauf oder willst du nach dem Weg fragen."


    Bis zum nächsten Mal. ;-)

  • "Gemetzel" ist so eine Sache. Ich bin mit TR: III in die Serie eingestiegen und da waren ständige Feuergefechte mit irgendwelchen Söldnern, Militärs oder Schlägertypen an der Tagesordnung. Irgendwie erwarte ich ja seitdem das jeder nachfolgende Teil, wie der dritte ist und orientiere mich auch bei dem FF daran. In den Spielen wird ja Menschen erschießen schon sehr naiv dargestellt - Mensch böse, kann weg - und dies wird auch nicht in Frage gestellt. Bedrohte Tierarten - z.B. Tiger - zu erschießen ist allerdings auch nicht ganz das Wahre. Ok, ist ja nur ein Spiel, aber einen leisen Versuch, dass zu relativieren, kann man ja tun.


    Mit der Frau musst du dich täuschen, denn sie hat sich ja später noch mit Okoma unterhalten.


    Die Fehler mit den Satzzeichen werden behoben :-) .

  • Ja, im Spiel werden viel häufiger (menschliche) Gegner zur Strecke gebracht, das stimmt. Bei meinen ersten FFs wurden deshalb auch ziemlich viele Leute abgeschlachtet. Aber mittlerweile finde ich, dass man in FFs anders mit dem Thema Gegner, Tod etc. umgehen sollte, da man sich beim Schreiben ja immer noch ein wenig mehr an der Realität und Gefühlen orientiert als im Spiel. Deshalb mag ich Gemetzel in FFs nicht. Aber das kann natürlich jeder sehen wie er möchte. ;-)

  • Quote

    ....Mit einem gewaltigen Rückstoß und intensiver Qualmentwicklung löste sich ein Projektil aus dem Werfer.....


    wenn ich mal so frech sein darf... eine solche Waffe hat nur einen sehr geringen Rückstoß (oder praktisch keinen je nach Modell).
    Es ist zwar nicht ausgeschlossen das ich mich irre, aber ich bin mir doch da sehr sicher. *mal ganz viel Klugscheiß*

  • @Cobra
    Wobei Gemetzel nicht ganz stimmt, denn Lara selbst hat bisher niemanden umgebracht. Ich bin froh wenn endlich der Indienteil kommt, aber bis dahin dauert es noch.


    Spectre
    Ok, wird geändert, danke. Ich beschäftige mich eher nur oberflächlich mit dem Waffenkram ;-) .

  • Der Vollprofi bin ich bei dem Thema jetzt auch wieder nicht, weiss aber doch ne ganze menge dazu. :weird
    Kannst dich ja damit trösten, das du bestimmt viel besser schreiben kannst wie ich. :thumbsup

  • Kapitel 7.1


    4 Tage später
    Ort: Tonsfjord / Norwegen
    09:55 Uhr


    Der Winter hielt Einzug. Es schneite und das Klima war unangenehm nasskalt. Der Tonsfjord war eher ein kleiner Vertreter seiner Gattung. Die Bucht lag eingebettet zwischen den hoch aufragenden Gesteinsformationen des Küstengebirges. Vor der Bucht lagen, im Nebel verborgen, die Inseln der Lofoten sowie einige Felsen, die die Zufahrt zum Fjord verengten. Eine Straße schlängelte sich an der Küste entlang und war zum Teil in den Fels gehauen wurden. Oberhalb der Bucht lag ein Aussichtspunkt, auf dem gerade ein dunkelblauer Range Rover parkte.
    Lara saß auf dem Fahrersitz, hatte den PDA zur Hand und studierte die Strömungskarte der Bucht. Sie trug einem dem Klima angemessenen Rollkragenpullover und eine schwarze Lederjacke. Matthew saß auf dem Beifahrersitz und suchte den Fjord mit einem Feldstecher ab. Statt einer Lederjacke trug er Eine aus wintertauglischem Jeansstoff. Kurz nach ihrer Ankunft in Stockholm waren beide mit dem Zug nach Oslo gereist und von da weiter nach Narvik. Der Tonsfjord lag keine 20 km südlich dieser Stadt.
    "Wow, eine riesen Yacht ist das", vermeldete Matthew nachdem er das 70 m lange Luxusschiff gesichtet hatte. Das Schiff hatte ein ausgesprochen modernes futuristisches Design. Der Bug verlief sehr spitz und auch die sonstige Rumpfform war extrem schnittig gezeichnet. Die Aufbauten reichten über zwei Decks, wobei das untere der beiden eine weitläufige Promenade hatte. Die Brücke war schwarz verglast und dies galt auch für die gesamte Fensterfront der Aufbauten. Der Schornstein lag, wie üblich, achtern und neigte sich windschnittig nach hinten.
    "Kannst du den Namen erkennen?" Fragte Lara.
    "Ich versuch's, aber bei dem verdammten Nebel wird es schwer. J...........A............N...........U..........S, Janus. Ist dies das Schiff, das wir suchen?" Fragte Matthew während er den Feldstecher absetzte.
    "Ja, unser Zielobjekt ist also daheim."
    "Hm, Janus, der römische Gott mit den zwei Gesichtern. Hoffentlich ist das kein böses Omen!"
    "Glaubst du an so etwas?"
    "Du etwa nicht, Lara?"
    "Sowas gibt es, hin und wieder, aber dies hier ist nur Zufall. Glaube mir, Matthew!"
    "Na gut, wenn du es sagst. Wem gehört überhaupt die Yacht?"
    "Olav Thoraldson. Ein Waffenhändler, der an jeden liefert der es sich leisten kann. Schusswaffen, Antipersonenminen, Bio-u. Chemiewaffen, Lenkwaffensysteme. Das ganze Programm eben. Nur Nuklearwaffen hat er noch nicht verhökert, aber wer weiß."
    "Du kannst Leute kennen, Lara."
    "Ich reiß mich nicht gerade drum, Matthew, wie du mittlerweile wissen solltest. Die begegnen mir einfach ständig."
    "Schon klar, aber immer wieder komisch was für Leute sich für Altertümer interessieren."
    "Artefakte sind eine gute Geldanlage. Sicherer als so manche Bank."
    "Wie wahr. Weißt du schon wie du vorgehen willst?"
    "Thoraldson bewahrt den Kadram auf der Yacht auf. Das macht die Sache relativ einfach."
    "Einfach?" Hakte Matthew ungläubig nach.
    "Sicher. Thoraldson gibt heute Abend einen Empfang für die Politik und Wirtschaftsprominenz der Gegend. Dazu noch ein paar Schauspieler, Models und diverse Starlets. Dadurch sind die Sicherungsmaßnahmen rund um die Yacht nicht so umfassend wie üblich. Dieser Umstand macht es weniger risikoreich als in St. Petersburg und Raketenwerfereinsätze auf zivilen Straßen gibt es zum Glück auch nicht."
    "Das beruhigt mich, Lara, aber nur ein wenig. Seltsam, das sich so viele Leute von hervorragendem Stand sich mit einem Menschen, wie Thoraldson, öffentlich zeigen?"
    "Erfolg zieht die Menschen magisch an", antwortete Lara achselzuckend. "Außerdem gibt es nichts Konkretes gegen Ihm. Sein Treiben ist zwar ein offenes Geheimnis, aber handfeste Beweise gibt es wie üblich nicht."
    "Den Anwälten sei Dank."
    "Unter anderem", pflichtete Lara, Matthew bei.
    "Wie genau willst du vorgehen?"
    "Wir mieten uns ein Motorboot. Ankern kurz vor der Bucht und ich tauche dann zur Yacht. Dort schnappe ich mir den Kadram und komm auf demselben Weg wieder zurück. Einfach, nicht?"
    "Nicht etwas zu einfach, Lara?"
    "Den Rest improvisiere ich, wie üblich", antwortete sie zuversichtlich.
    "Wie du meinst. Sind die Strömungsverhältnisse in der Bucht gut?"
    "Es geht noch, also nicht so stark. Ich brauche keine weiteren Hilfsmittel um bis zur Yacht zu kommen."
    "Hm", meinte Matthew nachdenklich und nahm den Feldstecher wieder auf. Er überflog erneut die Bucht. Mit der Yacht und dem dahinter liegendem großen Holzhaus. Plötzlich tauchte im Fokus des Fernglases ein Mann auf der ebenfalls mit einem Feldstecher in ihre Richtung schaute.
    "Ich glaube wir erregen bereits zu viel Aufmerksamkeit. Besser wir verschwinden jetzt!" Sagte Matthew an Lara gewandt während er den Feldstecher wieder absetzte.
    "Ist gut. Wir haben was wir brauchen und müssen sowieso noch ein Motorboot und eine Taucherausrüstung organisieren!"
    Lara startete den Motor und setzte den Wagen zurück auf die Straße um dann weiter in die Richtung von Narvik zu fahren.

  • Kapitel 7.2


    Ort: Tonsfjord / Norwegen
    22:24 Uhr


    Die See vor dem Fjord war kabbelig und das Motorboot schaukelte leicht auf den Wellen. Vollmond schien am Firmament und spendete wenigstens etwas Licht. Aus der Ferne war Musik zu hören. Die Party in Thoraldson's Anwesen war im vollen Gange und die Klänge der Musik breiteten sich über die gesamte Bucht aus. Matthew lies einen kleinen Anker in das Wasser gleiten damit ihr Boot auf Position blieb. Lara stand mittschiffs und machte sich für den bevorstehenden Tauchgang klar.
    Sie hatte bereits einen Neopren-Taucheranzug an und begann die übrige Ausrüstung anzulegen. Lara schlüpfte zuerst in die Schwimmflossen, dann folgten das Tauchermesser und die Tarierweste.
    "Funktionieren die Pressluftflaschen?" Fragte Lara.
    "Check", erwiderte Matthew nur knapp darauf und half Lara dabei das Drucklufttauchgerät zusammen mit der ABC-Ausrüstung zu schultern. An ihrem linken Handgelenk schnallte sich Lara noch den Taucherkompass an und setzte sich auf die Reling.
    "Komm in einem Stück wieder, Lara!" Sagte Matthew und beugte sich dabei recht nah zu Ihr hin.
    "Check", antwortete Lara mit einem diebischen Lächeln auf den Lippen und zog die Taucherbrille runter, die bisher oberhalb ihrer Stirn geruht hatte.
    Rückseitig lies sich Lara über die Reling fallen und tauchte in das kalte Wasser der Nordsee ein. Nach einem kurzen Moment kam sie wieder zum Vorschein und schwamm zum Boot.
    "Reich mir bitte die Taucherlampe und den wasserdichten Beutel her, Matthew!"
    Dieser händigte Lara zügig die gewünschten Sachen aus und Lara nahm das Mundstück des Drucklufttauchgerätes auf. Mit einer kurzen freundlichen Geste verschwand Sie unter Wasser. Matthew schaute die Wasseroberfläche an und erkannte bald einen Lichtschein, denn Lara hatte mittlerweile die Taucherlampe angeschaltet. Das Licht verschwand aber so rasch wieder wie es aufgetaucht war da Lara zunehmend an Tiefe gewann.
    "Jetzt heißt es warten", seufzte Matthew.


    Ort: Tonsfjord / Norwegen
    22:57 Uhr


    Die Sicht war trüb und das Licht der Taucherlampe vermochte dies nur wenig zu bessern. Im Lichtkegel tauchten zahlreiche umher schwimmende Partikel auf und auch immer wieder einzelne oder mehrere Fische. Gespenstisch war dies und wahrlich nichts für leicht erschreckbare Gemüter. Lara hatte darin allerdings Routine, auch wenn sie darum bemüht war ihre Abgeklärtheit in solchen Dingen nicht all zu umfassend werden zu lassen. Sie war auf etwa 12 Meter runter gegangen und tauchte in die Bucht hinein. Die Strömung war, wie erwartet, nur leicht und so kam sie recht gut voran.
    Immer wieder warf Lara einen kontrollierenden Blick auf das Finimeter, der die Druckluftkapazität anzeigte, und orientierte sich mit Hilfe des Taucherkompasses in welche Richtung sie musste. Ihre Mundwinkel waren völlig dem kalten Wasser ausgesetzt und wurden zunehmend taub, denn sie hatte zugunsten der Beweglichkeit auf eine Tauchmaske verzichtet.
    Zum Glück ist es nicht mehr weit. Versuchte Lara sich selbst zu beruhigen.
    Mit gleichmäßigen ruhigen Bewegungen kam Lara ihrem Ziel kontinuierlich näher. Einmal tauchte sie kurz auf um nach der Yacht zu sehen und nachdem alles seine Richtigkeit hatte ging sie wieder auf Tiefe. Nach etwa 30 Minuten tauchte der Unterwasserteil des Rumpfes der Yacht endlich auf. Lara tauchte unterhalb des Kieles und lies sich von hier aus auf den Grund sinken. Dieser war nur wenige Meter entfernt und bestand überwiegend aus Gestein. Sie suchte eine passende Stelle und schoss mit einer Abschussvorrichtung einen Bolzen in den felsigen Grund. Anschließend holte Lara noch einmal tief Luft und schnallte sich dann das Drucklufttauchgerät ab. Sie schloss die Ventile damit keine verräterischen Luftblasen mehr auftauchen konnten und verankerte das Gerät an dem Bolzen. Mit der Tarierweste und den Schwimmflossen verfuhr sie genauso.
    Sobald dies erledigt war stieg Lara wieder höher und schwamm in Richtung des Buges bis die Ankerkette undeutlich in Sicht kam. Neben der Kette tauchte Lara langsam zur Wasseroberfläche auf und oben angekommen rang sie nach dem mittlerweile dringend benötigten Sauerstoff. Dies tat sie so leise wie irgend möglich. Lara brauchte eine Weile bis ihr Körper wieder zur Ruhe gekommen war und schaute sich vorsichtig um. Die Taucherbrille schob sie, einer besseren Sicht wegen, nach oben. Die Musik von der Party war nun deutlicher zu hören und vermengte sich mit einzelnen Sprachfetzen der Gäste, aber auf der Yacht selbst schien alles ruhig.
    Dann nichts wie an Bord!
    Lara griff sich die Ankerkette und zog sich an ihr langsam aus dem Wasser heraus. Wenige Augenblicke später war sie bereits an der Reling und fasste diese um sich rüber auf das Deck zu ziehen. Mitten in der Bewegung wurde Lara durch plötzlich zu hörende Schritte gestört und lies sich wieder an der Reling hinuntergleiten. In dieser wenig vorteilhaften Stellung verharrte sie und ihre Arme begannen zu schmerzen. Endlich entfernten sich die Schritte wieder und Lara konnte das einmal begonnene wieder ins Werk setzen. Sie stand bald auf dem aus robustem Teakholz bestehenden Deck.
    Die Taucherbrille legte sie hier ab und angelte ihren Rucksack aus dem wasserdichten Beutel hervor. Zügig entnahm sie ihren Pistolengurt und schnallte sich diesen um und schulterte den Rucksack.
    Bereit.
    Geduckt setzte sich Lara in Bewegung und steuerte die Aufbauten an. Sie suchte die Treppe zum oberen Deck, denn dort lagen die Kommandobrücke und Thoraldson's Arbeitszimmer, mit dem Kadram.
    Langsam lief Lara dem Promenadendeck entlang. Aus einem Fenster schien Licht und sie lief bis zu dessen Rand. Vorsichtig schaute Lara nach was in dem Raum dahinter war. Bei dem Raum handelte es sich um die Mannschaftsmesse und eine Handvoll Mitglieder der Besatzung vertrieben sich mit Kartenspielen und gemütlichen Beisammensein die Zeit. Lara duckte sich und schlich unterhalb des Fensters weiter nach achtern. Sie fand einen Schrubber, mit dem normalerweise das Deck sauber gehalten wurde, nahm ihn an sich und klemmte ihn gegen die Tür der Mannschaftsmesse. Das andere Ende stützte sie gegen die Reling. Lara vergewisserte sich noch das die Tür auch nach außen öffnete, denn sonst wäre das Ganze sinnlos gewesen. Zufrieden suchte sie weiter nach dem Aufgang zum oberen Deck.
    Lara erreichte das Ende der Aufbauten. Sie lief mittschiffs, vorbei an dem gewaltigen Pool und fand schließlich den Aufgang. Ohne Umschweife machend lief Lara diesem auf und gerade als sie das obere Deck betreten wollte vernahm Lara schon wieder Schritte. Sie lies sich zurückfallen und schmiegte sich gegen die Wand. Zwei Seeleute, die offenbar die undankbare Aufgabe hatten an so einem Tag an Deck zu patrouillieren, passierten den Aufgang und liefen weiter nach vorn, zur Kommandobrücke. Lara ging wieder ein Stück nach oben und wartete bis die zwei verschwanden und schritt dann auf das Deck. Sie suchte die Tür zu Thoraldson's Arbeitszimmer.
    Endlich fand sie eine, aber leider war diese durch ein Sicherheitsschloss codiert.
    Wäre ja auch zu einfach gewesen.
    Lara stand mitten auf dem Deck als die zwei patrouillierenden Seeleute wieder auftauchten.
    "Hey, wer sind sie denn?" Rief einer der Beiden und für Lara's Geschmack eine Spur zu laut.
    Auf einen Einsatz der Pistolen wollte Lara lieber verzichten und entschied sich gedanklich für ihre Fäuste.
    Die beiden Seeleute stürmten ohne viel Federlesen machen zu wollen auf die Frau in dem Taucheranzug zu. Sie erwarteten ganz offensichtlich keine Probleme wurden aber schnell eines Besseren belehrt. Den ersten empfing Lara mit einem gezielten Faustschlag ins Gesicht. Da steckte ordentlich Wumm's dahinter, denn der Mann taumelte benommen zurück. Sein Kollege nutzte die Zeit um seinerseits mit Lara aufräumen zu wollen, aber diese wich allen Attacken geschickt aus. Lara kickte den Mann schließlich um und dieser fiel über die Reling ins Wasser. Der Zweite war inzwischen wieder da, aber Lara packte ihn und stieß ihn gegen die Wand der Aufbauten. Benommen sackte er zusammen und machte so bis auf Weiteres keinen Ärger mehr.
    "Was ist den hier draußen los?" Fragte mit wütender Stimme ein Mann der aussah wie der Kapitän.
    Nimmt das denn hier nie ein Ende? Dachte Lara und machte mit dem Kapitän kurzen Prozess. Er würde ebenfalls für die nächsten Stunden außer Gefecht sein. Sie schaute anschließend noch über die Reling um zu kontrollieren wie es dem über Bord gegangenen Seemann ging. Dieser schwamm und schien nach einen Weg zurück an Bord zu suchen.
    Toll, da habe ich den Kerl bald wieder auf den Hals. Dachte Lara mürrisch und wandte sich von dem Zugang zur Kommandobrücke ab, aber plötzlich hielt sie inne.
    Vielleicht gibt es ja sowas wie eine Generalschlüsselkarte? Kombinierte Sie und lief zur Brücke zurück. Unterwegs machte sie bei dem daniederliegenden Kapitän halt und nahm seine Schlüsselkarte an sich. Vorsichtig betrat sie die Brücke und begann den weidläufigen Raum zu durchsuchen. Im Kartenraum war nicht, auch nicht im Funkzimmer. Endlich stand Lara vor der Tür zum persönlichen Raum des Kapitäns. Die Schlüsselkarte öffnete dann auch die Tür und Lara stürmte rein. Die Zeit lief ihr davon. In dem Raum fand dann Lara auch endlich die Generalschlüsselkarte und nahm sie auf. Sie lief zurück an Deck und öffnete die Tür zu Thoraldson's Arbeitszimmer.
    Der Raum war das völlige Gegenteil zu dem modernen Äußeren der Yacht. Alles wirkte antiquiert, wenn auch in einem fortschrittlicheren Kontext. Die Wände waren holzvertäfelt mit zahlreichen Messingapplikationen. Ein großer Arbeitstisch und mehrere schwere Ledersessel dominierten den Raum. Dazu einige Gemälde, von denen Lara aber nicht genau feststellen konnte ob es Originale oder Repliken waren. Es war im Prinzip auch egal, denn sie suchte den Tresor, mit dem Kadram drin. Der Tresor war zum Glück nicht versteckt und einfach in die Wand eingelassen wurden. Lara steuerte ihn an und machte sich umgehend daran ihn zu öffnen. Schon nach kurzer Zeit öffnete Lara ihn mit einem Klack und nahm den Kadram an sich.
    Sie verstaute das Artefakt in ihren Rucksack und wollte sich gerade auf dem Weg machen als sich ein drahtförmiges Etwas um ihren Hals schlang. Von kräftigen Händen gezogen drückte der Draht Lara die Luft ab und arbeitete sich in das Fleisch ein. Völlig überrascht war sie nicht in der Lage angemessen darauf zu reagieren und langsam begann Lara das Bewusstsein zu entschwinden.
    Alles aus!

  • Kapitel 7.3


    Ort: Tonsfjord / Norwegen
    23:48 Uhr


    Lara wand sich verbissen im Würgegriff des unbekannten Angreifers. Zu ihrem Glück reichte der Taucheranzug bis zum Hals und so wurde die Wirkung des Drahtes ein wenig gemildert, aber die Situation war noch immer sehr prekär. Sie spannte die Muskeln und Sehnen der Halsgegend an um dem Eindringling entgegen zu wirken, aber viel Erfolg hatte Lara damit nicht. Sie wurde zunehmend immer schwächer.
    Nicht jetzt! Nicht hier! Nicht so!
    Ihr Puls raste und der Körper schüttete Unmengen an Adrenalin aus. Sie brauchte eine letzte finale Kraftanstrengung um sich des Angreifers zu entledigen. Noch einmal spannte Lara sämtliche Muskeln ihres Körpers an, auch jene von denen sie bisher nicht wusste dass sie sie hatte. Mit aller Gewalt stemmte sie sich gegen den Angreifer und dann schwang sie ihren Körper nach vorn. Lara nahm in Kauf das der Draht sich weiter in ihr Fleisch hineinarbeiten würde, aber eine andere Möglichkeit sah sie nicht. Den furchtbaren Schmerz ertragend riss Lara den Mann mit sich und schleuderte ihn über sich hinweg.
    Urplötzlich lies der Druck auf ihren Hals nach und sie konnte wieder atmen.
    Viel länger hätte es wirklich nicht dauern dürfen!
    Völlig erschöpft brach Lara zusammen und kam mit allen Vieren auf dem Boden auf. Sie atmete hastig den kostbaren Sauerstoff ein und dieser strömte durch ihre Lungenflügel und belebte die Lungenbläschen. Nach einer Weile kam sie endlich zur Ruhe und der Puls ging runter. Mit der einen Hand stützte sie sich auf während Lara mit der anderen Hand ihren Hals kontrollierend abtastete. Nachdem Lara die Hand wieder zurück nahm musste sie erkennen dass sie blutverschmiert war.
    Oh verdammt, das hat mir jetzt gerade noch gefehlt.
    Sie wusste nicht wie tief der Draht reingegangen war und ob die vitalen Organe was abbekommen hatten, aber der eng anliegende Taucheranzug hielt das Ganze weitestgehend zusammen. Das musste für den Moment reichen. Zeit um die Wunde zu verarzten hatte sie nicht.
    Nichts wie von Bord!
    Lara erhob sich langsam. Ihr Körper war erschöpft und sie hatte Anfangs Probleme auf beiden Beinen sicher stehen zu können. Sie warf noch einen Blick auf den reglosen Körper des Angreifers. Es war der Seemann der über Bord gegangen war. Mit einem verächtlichen Blick verlies Lara den Raum und draußen angekommen empfing sie ein kalter Windzug. Der hatte den Vorteil das Lara's Verstand nun wieder klarer wurde. Sie lief wieder nach achtern und der Treppe hinunter. Passierte den Swimming Pool und stand bald an der Backbord-Reling. Aus der Mannschaftsmesse war ein wütendes Geschrei zu hören. Lara's Konstruktion hielt, aber von Land aus schickte sich Thoraldson's Security an zur Yacht überzusetzen.
    Lara hielt sich nicht lange auf sondern fasste die Reling und sprang ins eisige Wasser. Sobald sie eintauchte fühlte es sich wie tausende Nadelstiche an. Lara schwamm in Richtung des Festlandes.
    Nur weg von der Yacht!
    Auf demselben Weg, den sie gekommen war, konnte Lara nun nicht mehr zurück. Ohne Hilfsmittel musste sie sich den Weg bahnen, nur den Taucherkompass hatte sie noch umgeschnallt, aber ohne Licht war der nutzlos. Ihre Gliedmaßen wurden mit längerer Verweildauer im Wasser immer schwerer und so kam Lara dementsprechend langsam voran. Endlich kamen die Pfähle des Landungssteges in Sicht. Sobald sie unter dem Steg war tauchte Lara auf und rang nach Luft.
    In der Bucht war der Teufel los. Motorboote jagten über das Wasser und suchten mit Scheinwerfern die Wasseroberfläche ab. An Land fanden sich mehr und mehr Männer von Thoraldson's Sicherheitsdienst ein und halfen bei der Suche.
    "Soviel zum Thema Einfach", seufzte Lara.
    Sie schaute sich um und erkannte den Aufgang zum Steg. Sie schwamm umgehend dahin und fasste ihn mit zittrigen Händen. So gut es ging stieg Lara aus dem kalten Wasser und stand bald auf dem Steg. Dieser war schneebedeckt und sie wäre beinahe darauf ausgerutscht. Ohne sich weiter umzusehen verlies Lara den Steg. Unentdeckt blieb sie nicht und schon begannen die ersten Geschosse in ihrer Nähe einzuschlagen. Lara rannte mit gezogenen Waffen los und feuerte wild drauflos. Weniger um ihre Kontrahenten zu erledigen als das gegnerische Feuer zum Schweigen zu bringen. Sie rannte quer durch die Gartenanlage von Thoraldson's Anwesen auf der Suche nach dem Ausgang und einem brauchbaren Fortbewegungsmittel.
    Motorschlitten. Stellte Lara erfreut fest nachdem sie die Gartenanlage hinter sich gelassen hatte.
    Sie nahm auf dem erst besten Motorschlitten bzw. Schneemobil Platz und startete den Motor. Sie fuhr ein Stück und hielt dann an. Mit ihren Pistolen feuerte sie auf die übrigen Fahrzeuge in der Hoffnung einige davon funktionsuntüchtig zu machen. Unterdessen fanden sich die ersten Sicherheitsleute ein und Lara musste sich wieder in Bewegung setzen. Mit einem halsbrecherischen Tempo fuhr sie los und verlies das Anwesen dabei den kunstvoll gerarbeiteten Holzzaun umpflügend.
    Lara raste den Strand entlang. Ihr Körper war einem Kälteschock nahe. Zwar war der Taucheranzug durchaus für solche Witterungsverhältnisse gemacht wurden und wärmeisoliert. Diese Wirkung hatte der Anzug aber bereits nach dem ersten Tauchgang weitestgehend eingebüßt und jetzt nach dem Zweiten quasi nicht mehr existent. Ein Blick in die Rückspiegel des Schneemobils verriet Lara das ihre Haut bereits eine leichte unnatürliche Blaufärbung anzunehmen begann. Dies, in Verbindung mit dem verletzten Hals, entzog ihrem Körper stetig mehr Kraft.
    Vor Lara breitete sich eine wundervolle schneebedeckte Landschaft aus. Der Strand der Bucht war nur relativ schmal und schon kurz dahinter zog das Terrain an und ging zu einer steilen Felsformation über. Darüber verlief die Küstenstraße und über allem thronten die Gipfel des Küstengebirges. Ein paar Bäume lockerten das Gesamtbild auf, aber davon sah Lara nicht viel, denn es war schlichtweg zu dunkel.
    Mit einem Blick zurück erkannte Sie, dass ihr ein Motoschlitten folgte. Lara vergrößerte den Abstand zum Ufer und suchte Deckung bei der küstennahen kleinen Baumansammlung. Geschossgarben kamen in ihrer näheren Umgebung auf und immer wieder orientierte sie sich nach hinten. Dabei übersah Lara eine größere Unebenheit und sobald das Schneemobil auf das Hindernis traf war es mit ihrer Fahrt vorbei. Lara verlor den Halt und wurde von dem Bock geschleudert. Unsanft landeten sie in einer Schneeverwehung während das Schneemobil gegen einen Baum krachte und in einen Schrotthaufen verwandelt wurde.
    Verdammte ............. Ging es ihr durch den Kopf.
    Lara rappelte sich auf und suchte Schutz hinter einen der nahen Bäume. Als sie bei dem Baum ankam schlugen mehrere Projektile in ihn ein. Holzsplitter lösten sich und einige davon trafen auch Lara. Zum Glück verursachten sie nur leichte Kratzer und beeinträchtigten die ohnehin schon gebeutelte Grabräuberin nicht weiter. Lara schmiegte sich mit dem Rücken ganz eng an den Baum. Sie schaute sich um und fasste nach einem stabilen Ast der aus der Schneedecke hervorschaute. Mit beiden Händen umfasste sie ihn und wartete auf ihre Verfolger. Es setzte ein leichter Schneefall ein. Von dem Ufer her konnte man das schlagen der Wellen hören und das Dröhnen des Motors von dem heranrasenden Motorschlitten.
    Näher! Noch ein Stück! Gleich. Jetzt!
    Sobald ihre Verfolger nah genug waren schwang Lara mit einem - "Runter von dem Ding!" - hinter dem Baum hervor und mit einem ordentlichen Hieb warf sie die beiden Piloten von dem Sitz runter. Die beiden machten kurz darauf noch einmal Bekanntschaft mit dem Ast und Lara hatte ein neues Gefährt, das sie auch gleich in Funktion nahm.
    Sie wollte gerade wieder los jagen als sie bemerkte dass sich von dem Anwesen her zwei weitere Motorschlitten an ihre Fersen heften wollten. Sie setzte ihren Weg weiter fort. Leider musste sie feststellen dass die Küstenstraße nur über das Thoraldson-Anwesen zu erreichen war. Ansonsten konnte man die Bucht nur über die See verlassen. Der Gedanke wieder zurück zu müssen bereitete Lara sichtliches Unbehagen. Zusätzlich zu ihren Verfolgern zu Lande kamen jetzt auch noch welche von der Seeseite her dazu. Ein Motorboot kam ihrer Position bedenklich nahe,
    Wo steckt eigentlich Matthew? Dachte Lara.
    Ihr fiel plötzlich das Headset ein und sie holte es aus dem Rucksack hervor. Dies kam mit ihren klammen Fingern einem kleinen Kunststück gleich, aber schließlich gelang es.
    "Lara, wo zum Teufel steckst du? Sag, dass du das bist auf diesem Schneemobil!"
    "Nur, wenn du das bist auf dem Motorboot, Matthew."
    "Gut, dem kann ich entsprechen. Wo soll ich dich aufnehmen?"
    "Weiter südlich. Ich muss noch den Abstand etwas vergrößern."
    Die Minuten vergingen in denen Lara mit geradezu verbotenem Tempo der Küste entlang tobte. Nachdem sie zu der Ansicht gekommen war, den Abstand genug vergrößert zu haben schlug sie einen Haken und hielt auf die See zu. Am Ufer hatte sich bereits eine Eisschicht über dem Wasser gebildet, aber diese war sicher nicht sehr stabil. Matthew ging auf ihrer Höhe mit dem Boot auf Position während Lara mit dem Schneemobil das Eis erreichte. Es ächzte bedenklich unter dem Gewicht des Fahrzeuges und die ersten Risse bildeten sich. Lara hoffte noch auf ein paar Meter, aber ganz soweit kam sie nicht. Plötzlich brach es und Lara versank mitsamt dem Schneemobil auf dem Grund. Für ihren ohnehin schon auf das äußerste strapazierten Organismus war dieser Tauchgang natürlich ein Desaster. Lara musste die wirklich letzten Reserven mobilisieren und schwamm unter dem Eis hinweg.
    Endlich tauchte sie auf, nur wenige Meter von dem Motorboot entfernt. Mit den Kräften am Ende erreichte sie es und Matthew zog sie an Deck.
    "Du siehst furchtbar aus, Lara", meinte Matthew und reichte ihr mitfühlend einen Parka und mehrere Wärme versprechende Decken.
    "Wenn du weiter solche Komplimente machst wird das nie was!"
    "Darüber können wir später diskutieren. Erst einmal raus der Bucht." Nachdem Matthew das blutgetränkte Halsteil ihres Anzuges sah, meinte er: "Du brauchst dringend einen Arzt, Lara!"
    "Kann gut sein."
    "Klapp mir jetzt ja nicht ab, Lara!"
    "Ich versuch mein Bestes", antworte sie mit leiser Stimme.
    Matthew nahm dreht den Gashebel voll durch und die beiden Außenborder erwachten zu Leben. Das Boot beschleunigte zügig auf gut 30 Knoten. Er wollte schon an eine einfache Flucht glauben, als plötzlich hinter der Yacht ein weiteres Motorboot zum Vorschein kam und sich an die Verfolgung machte.
    "Wir haben die Landspitze bald erreicht, dann müsste eine Fl ................ Ach du Scheiße."
    Das passte, denn nachdem sie die Landspitze passierten tauchte vor ihnen die gewaltige hellerleuchtete Silhouette eines Kreuzfahrtschiffes auf. Matthew vollführte geistesgegenwärtig einen scharfen Haken mit dem Motorboot. Gerade noch rechtzeitig und passierte den Musikdampfer an Steuerbord (rechts) mit dem Land an Backbord (links). Ihre Verfolger lagen etwas weiter querab. Es wäre sinnvoller gewesen sie passierten das Passagierschiff backbordseitig, aber sie entschieden sich ihnen direkt nachzusetzen. So kamen sie in einen zu scharfen Winkel an und bekamen nicht mehr die Kurve zustande. Mit voller Geschwindigkeit raste das Boot gegen die Steilküste und flog mit einem gewaltigen Feuerball in die Luft.
    Lara bekam davon nicht mehr viel mit. Ihr Körper hatte längst beschlossen jetzt eine Auszeit zu nehmen während das Motorboot weiter der norwegischen Küste entlang jagte.

  • Kapitel 7.4


    Ort: Tonsfjord - Thoraldson-Haus -
    00:34 Uhr


    Olav Thoraldson stand an einem Fenster seines persönlichen Bereiches und schaute auf die Bucht hinaus. Er war von untersetzter Statur und hatte auf dem Kopf keine Haare mehr. Nur ein sehr kurz geschnittener Haarkranz war noch da. Sein Gesicht wurde von einem Vollbart dominiert der langsam grau wurde. Obwohl Thoraldson durchaus sportlich war konnte er eine gewisse Fettleibigkeit nicht verdecken. Er paffte genüsslich an einer Zigarre und sah gerade den gewaltigen Feuerball des explodierenden Motorbootes.
    "Hat es Croft erwischt?" Fragte Thoraldson seinem mit im Zimmer stehenden Sicherheitschef.
    "Nein, Sir. Das waren unsere Leute."
    "Gut, dann verläuft ja alles nach Plan", antworte Thoraldson zufrieden. "Es wird Schwierigkeiten bereiten alles zu vertuschen was hier passiert ist."
    "Soll ich die üblichen Maßnahmen anlaufen lassen, Sir?" Fragte sein Sicherheitschef.
    "Ja und sicher gut das alle dafür notwendigen Personen bereits schon im Haus sind", bemerkte Thoraldson süffisant lächelnd.
    "Stimmt, ich mache mich gleich an die Arbeit, Sir."
    "Tun sie das!"
    Nachdem der Mann den Raum verlassen hatte drehte sich Thoraldson von dem Fenster weg und steuerte den großen Arbeitstisch an. Er nahm Platz auf dem Sessel davor und schaute auf den Laptop der eine Audio/Video-Verbindung aufgebaut hatte.
    "Hat Croft den Kadram, Mr. Thoraldson?"
    "Ja hat Sie, Mr. Okoma", antworte Thoraldson. "Einige meiner besten Leute sind dabei drauf gegangen."
    "Dadurch wirkt es doch nur glaubwürdiger."
    "Mag sein, aber gutes Personal ist heutzutage selten."
    "Sie finden sicher welches."
    "Natürlich, habe ich doch keine Wahl. Hoffentlich ist dieses verdammte Amulett den ganzen Aufwand wert. Wie kommt eigentlich ein Mann, aus ihrem Metier, zu so einer Unternehmung, Mr. Okoma? Artefakte sind doch nicht ihr Arbeitsfeld."
    "Ich würde ihnen die Geschichte gerne erzählen, aber meinen Auftraggebern gegenüber bin ich zur Verschwiegenheit verpflichtet."
    "Gute Antwort, gefällt mir. Vielleicht werde ich ihre speziellen Fähigkeiten irgendwann auch einmal in Anspruch nehmen."
    "Es wäre mir eine Freude."
    "Das will ich meinen, Mr. Okoma. Wie geht es jetzt weiter?"
    "Wir bleiben in Kontakt. Sobald es Neuigkeiten gibt erfahren Sie sie, Mr. Thoraldson."
    "In Ordnung. Versuchen sie mich ja nicht übers Ohr zu hauen. Ich finde sie!"
    "Daran habe ich keinerlei Zweifel, Okoma Ende."
    Thoraldson schaltete den Laptop ab und paffte weiter an der Zigarre. Ein selbstgefälliger Gesichtsausdruck verriet seinen inneren Gemütszustand.
    Läuft alles wie am Schnürchen.