LARA CROFT: DAS AMULETT
Kapitel 1
Juni 1801
Ort: Indischer Ozean
15:34 Uhr
Das Meer war ruhig und es wehte ein leichter Südwest-Wind. Die Hampton Court, ein Ostindiensegler der englischen East India Company (EIC), strebte dem Kap der Guten Hoffnung entgegen. Vor fast zwei Jahren hatte das Schiff, unter dem bewährten Kommando von Captain James Torrington, den Hafen von London verlassen mit Kurs auf das sagenhafte Indien. Nach knapp einjähriger Reise, über das Kap der Guten Hoffnung, war man am indischen Subkontinent angekommen. Für ein weiteres Jahr trieb man in allen wichtigen indischen Häfen die unter britischer Kontrolle standen Handel. In Kalkutta, Madras, Trincomalee, Colombo und Bombay wurden europäische Waren gegen die Erzeugnisse Indiens und Südostasiens eingehandelt.
Seit 1794 lag Großbritannien mit dem revolutionären Frankreich im Krieg. Seitdem machten Kaperschiffe, beider Seiten, auf allen Weltmeeren Jagd auf die Handelsschiffe des Gegners. Zwar hatten die großen Ostindienfahrer eine beträchtliche Anzahl an Kanonen an Bord, aber im direkten Vergleich war man den professionellen Kanonieren eines Kaperers unterlegen. Die letzten Meldungen vom Krieg hatten Torrington zuversichtlich gestimmt. 1798 hatte KAdm. Nelson bei Aboukir einen großen Seesieg errungen und Napoleons Ägyptenpläne zunichte gemacht. Die Kaperer lies sowas freilich völlig unbeeindruckt.
Vor zwei Wochen hatte die Hampton Court den Hafen von Bombay verlassen, die Malediven passiert, und befand sich jetzt 27 Seemeilen, südwestlich dieser Inselgruppe, auf offener See.
"Deck, Segel achteraus, querab Backbord!" Meldete sich plötzlich der Ausguck.
First Lieutnant, der 1. Offizier und zweitwichtigste Mann auf einem Schiff, Charles Balfour stand neben dem Rudergänger auf dem Achterschiff als der Ruf ertönte. Er lief sofort nach hinten, nahm sein Teleskoprohr und schaute ungläubig durch. "Mr. Leahay, holen sie den Captain !", befahl Lt. Balfour an einem Matrosen gerichtet und nach wenigen Augenblicken erschien Cpt. Torrington an Deck.
"Was liegt an, Mr. Balfour?"
"Ein Schiff. Es folgt uns. Könnte ein französischer Kaperer sein. Robert Surcouf treibt in diesen Teil des Ozeans sein Unwesen."
"Nun malen sie nicht gleich den Teufel an die Wand, Lieutnant.", erwiderte der Captain und nahm das Teleskoprohr, das ihm Balfour entgegen hielt, um hindurch zuschauen. "Ein schnittiger Bau, Volltakelung. Sieht aus wie eine Fregatte mit 30 bis 38 Kanonen. Für eine klare Bestimmung ist das Schiff aber noch zu weit entfernt. Könnte auch eines der unsrigen sein."
"Wir hätten in Bombay auf den Konvoi warten sollen, Sir."
"Wir haben 44 Kanonen an Bord. Mit einer Fregatte nehmen wir es auf, Mr. Balfour." Gab ein zuversichtlicher Captain zum besten.
"Das hat die Besatzung der Kent sicher auch gedacht bis Surcouf mit seine Le Confiance aufgetaucht ist."
"Ruhig Mr. Balfour, sie machen ja der Mannschaft nur unnötig Angst!" Mahnte Cpt. Torrington.
Es verging eine Stunde und das fremde Schiff holte immer weiter auf. Der Captain schaute immer wieder zu dem Verfolger hin und versuchte zu erkenne welcher Nationalität das Schiff angehörte. Mittlerweile war es aber als ein Kriegsschiff auszumachen und kein zum kapern umgebauter Frachtsegler. Der berühmt berüchtigte Surcouf fiel schon mal als möglicher Kontrahent weg.
"Verdammt, kann trotzdem einer von uns sein. Wir haben genug Fregatten von denen erobert und in die Flotte übernommen.", sagte James Torrington und Mr. Balfour nickte zustimmend.
"Mag sein, aber eine Fregatte von uns würde doch schon längst die Flagge zeigen." Mischte sich Ben Haldon, der zweite Offizier, in das Gespräch ein.
"Deck, fremdes Schiff zieht die Tricolor auf." Kam es plötzlich vom Ausguck.
"Bootsmannsmaat, klar Schiff zum Gefecht geben. Kanonen mit Traubengeschossen laden, aber noch nicht ausrennen !" Befahl der Captain umgehend.
"Aye, aye Sir."
"Mr. Haldon, geben sie Säbel und Handfeuerwaffen an die Mannschaft aus !", lauteten Torrington's weitere Befehle und meinte zu einem an Deck stehenden Mann "Kein Grund zur Besorgnis Mister. Gehen sie unter Deck, hier stören sie jetzt nur". Der Mann schaute Torrington mit festen Blick an bevor er verschwand. Der Captain war im ersten Moment von dem Gesichtsausdruck des Mannes überrascht, aber schob die aufkommenden Gedanken beiseite da nun wichtigere Dinge anstanden. Die französische Fregatte war nun fast auf gleicher Höhe mit der Hampton Court. Nur knappe 100 m Abstand zueinander.
"Kanonen ausrennen !" Kommandierte Torrington.
Die Stückpforten des Handelsseglers wurden geöffnet und die Kanonen ausgerannt, bereit ihre Breitseiten auf den Feind abzufeuern. Bei dem Angreifer lief es ähnlich ab, auch dieses Schiff war längst bereit zum Gefecht. Die Fregatte kam an der Backbordseite der Hampton Court auf und feuerte eine volle Breitseite ab. Es waren Kettengeschosse, die sich im Flug öffneten, wobei beide Hälften durch eine Kette miteinander verbunden blieben. Diese Geschosse konnten schwere Zerstörungen an den Segeln und Masten anrichten.
"Typisch diese Franzosen, immer zuerst in die Takelage rein" Meinte der Rudergänger von der Hampton Court.
"Feuer frei, zielen auf das Deck !" Befahl Cpt. Torrington seinen Kanonieren.
Schon feuerte die Hampton Court eine wütende Breitseite auf das französische Schiffe ab. Traubengeschosse öffnen sich nach dem abfeuern und gaben Dutzende kleinere Geschosse frei. Diese Waffen richteten normaler Weise bei den dicht gedrängten Mannschaften auf dem Deck, das getroffenen Schiffes, fürchterliche Verluste an. Das franz. Schiff blieb einer Antwort nicht schuldig. Mehrere Segel des britischen Kauffahrer hingen bereits zerfetzt im Wind.
"Solange die Masten stehen bleiben sieht es nicht so schlecht aus, Mr. Balfour." Sagte ein ernst dreinblickender Torrington.
"Ihr Wort in Gottes Ohr, Sir." Meinte dieser.
Torrington lächelte leicht und schrie dann. "Nächste Breitseite abfeuern, jagt die Froschfresser von dem Deck runter!"
Wieder heulten die Geschütze der Hampton Court auf. Mehrere Geschosse erreichten auch den Franzosen, wo viele Seeleute getroffen liegen blieben. Der Abstand zwischen den beiden Schiffen wurde immer kleiner. Die franz. Fregatte schickte sich offenbar an zu entern. Beide Schiffe jagten sich eine Breitseite nach der anderen in Rumpf und Takelage. Plötzlich knickte krachend der vordere Mast der Hampton Court um und das Schiff verlor sofort merklich an Fahrt.
"Jetzt haben die uns am Arsch, Captain." Meinte Lt. Balfour und zog vorsorglich seinen Degen.
Cpt. Torrington bedachte Lt. Balfour mit einem strafenden Blick, aufgrund dieser sprachlichen Entgleisung. Seeleute waren sicherlich nicht zimperlich, aber für einen britischen Offizier waren solche Worte nicht schicklich, auch nicht bei der Handelsmarine. Innerlich musste er seinem 1. Offizier allerdings beipflichten.
Bald waren die Schiffe auf Musketenschussweite heran und die auf Deck verschanzten Schützen feuerten erst wahllos dann gezielt. Pulverdampf trieb über den Kampfplatz und hüllte beide Schiffe ein. Man konnte eilig gesprochene französische Wortfetzen hören und bald flogen die ersten Enterdraggen herüber. Mit einem lauten Krachen stießen beide Schiffe zusammen und schon stürmten die ersten französische Enterkommandos auf das Deck der Hampton Court.
Es entbrannte sofort ein Kampf Mann gegen Mann. In dem durcheinander war es nicht einfach zu erkennen wer Freund oder Feind war. Einheitliche Uniformen gab es nicht und so musste man sich auf sein Glück verlassen oder auf sprachliche Unterschiede. Cpt. Torrington wehrte sich auf dem Achterschiff gegen mehrere Angreifer. Einen stach er mitten in das Herz, den nächsten hieb er eine tiefe Fleischwunde in den Oberkörper. Gegen einen franz. Offizier hatte der Captain anschließend einen schweren Stand. Lt. Balfour kämpfte ganz in der Nähe, aber durch einen schweren Säbelhieb an der Schläfe getroffen sank er sterbend zu Boden. Lange tobte der Kampf auf dem Deck des britischen Schiffes ohne Entscheidung, aber dann setzte sich der bessere militärische Drill der Franzosen durch und Captain Torrington musste mit seinem Schiff die Flagge streichen.
Die Franzosen trieben die brit. Seeleute zusammen und stellten sie unter Arrest. Cpt. Torrington und Lt. Haldon standen zusammen auf dem Achterschiff, an der Reling, als ein Franzose im Uniformrock eines Kapitäns auf sie zukam. Er wechselte einige Worte mit dem Offizier, der Torrington das Überleben so schwer gemacht hatte. Der Angesprochene machte eine kurze Kopfbewegung in Richtung des brit. Schiffsführers.
"Monsieur Torrington, ich bin Capitaine Jean-Pierre de Vireaux von der 40-Kanonen Fregatte L'Amphitrite. Sie haben uns einen guten Kampf geliefert, für einen Kauffahrer. Ihr Schiff gehört jetzt Frankreich und ich bitte sie mir die Schiffspapiere und Ladungsformulare auszuhändigen. Sie und ihre überlebenden Offiziere werden auf die L'Amphitrite gebracht und ein Prisenkommando wird ihr Schiff zu dem nächst gelegenen franz. Stützpunkt bringen".
Torrington nickte nur stumm und als sie gerade zur Kapitänskajüte gehen wollten durchbrachen plötzlich mehrere Schüsse, die unter Deck fielen, die Ruhe.
"Was zum Henker ist da los?" Maulte Cpt. de Vireaux.
Ein franz. Matrose kam hoch geeilt und antworte hastig. "In einen der Laderäume hatte sich irgend ein Kerl verbarrikadiert, aber Gerard hat ihn übern Haufen geschossen, mon Capitaine".
Zufrieden wandte sich Cpt. de Vireaux wieder dem engl. Schiffsführer und den anstehenden Formalitäten zu - Die Beute würde ihm und seiner Mannschaft ein hübsches Prisengeld einbringen -.